Dienstag, Juli 18, 2006

Nach dem Festival ist vor dem Festival ...

... aber trotzdem muss es ja einen kleinen Rückblick auf 5 Tage Bollywood and Beyond in Stuttgart geben. Zum organisatorischen Chaos wird ja bereits bei Marco viel gesagt. Hier also nur der Wunsch, dass nächstes Mal alles besser wird und die Festivalleitung sich vielleicht vorher überlegt, was für ein Festival es werden soll - und ob es nicht vielleicht doch sinnvoll wäre, seine Gäste und sein Programm ernst zu nehmen.

Trotzdem war das Festival eine schicke Sache - was vor allem am schönen Wetter, den supernetten Menschen und einigen richtig tollen Filmen lag. (...)


Los gings mit "Mixed Doubles", der zufälligerweise als Eröffnungsfilm einspringen musste, zufällig wohl der Lieblingsfilm der Programmchefin ist und zufällig den heimlich verliehenen "German Star of India" gewonnen hat, dessen Jury zu einem Drittel aus eben dieser Programmchefin bestand. Der Film selber ist ziemlich süß, Konkona Sen und Ranvir Shorey sind wunderbar sympathisch, die Story ist interessant - nur das Ende leider etwas unbefriedigend. Versteht mich nicht falsch, ich mag offene Enden, aber Mixed Doubles endet ziemlich sperrangelweit offen. Dafür schneidet er natürlich Themen an, die man in einem Bollywoodfilm normalerweise nicht erwarten würde - allerdings ist Mixed Doubles ja auch keiner, sondern gehört zum Schwerpunkt des Festivals, dem "Beyond". Und wenn er nicht von DVD gekommen wäre, hätte er mir bestimmt noch besser gefallen.
Fazit: Man muss ihn sich nicht innerhalb der nächsten 5 Minuten kaufen, aber es lohnt sich mal reinzuschauen.

Am Donnerstag gings dann für mich weiter mit Raj Kapoors Klassiker "Awaara", den ich vor 5 oder 6 Jahren schon einmal gesehen hatte. Der lief leider von Raubkopie, war mit 82 Minuten angekündigt und der nette Herr, der eine Einleitung improvisierte, bestand darauf, dass Awaara eine Komödie namens Asaara sei. Na gut, wenn er meint.
In Wirklichkeit ist Awaara ein relativ langes sozialkritisches Drama, dass zum unbedingten Pflichtprogramm für Filmfans gehören sollte. Für Kapoorfans ist dieser Klassiker ja sowieso unausweichlich - drei Kapoors auf einmal darf man sich einfach nicht entgehen lassen. Raj Kapoor (als Schauspieler) ist zwar leider bei mir bisher noch ein wenig untergegangen, wird sich aber in nächster Zeit verstärkt in meinem DVD-Regal finden, Shashi als kleiner Bub ist nicht nur süß, sondern spielt auch wunderbar, und Familienoberhaupt Prithviraj Kapoor ist ebenfalls hervorragend. Das ist natürlich nicht alles! Die Chemie zwischen Nargis und Raj Kapoor stimmt, es gibt eine der herrlichen psychedelischen Traumsequenzen, die Kapoor ja so wunderbar beherrscht, die Musik ist teilweise legendär und die Inszenierung fantastisch.
Fazit: Los! Sofort bestellen!

Donnerstag abend dann das absolute Kontrastprogramm: Der südindische Indiana-Jones-Verschnitt "Diler", der eigentlich "Anji" heißt und in Stuttgart auf Hindi synchronisiert von DVD lief. Leider war die Synchronisation ziemlich unglücklich, vor allem bei der weiblichen Hauptrolle Namrata Shirodkar, die einfach nur unerträglich quietschig klang. Sogar bei den Songs. (Liebes Festivalteam, sowas sollte man bei einer Einführung in den Film vielleicht erwähnen, dann lästern die Leute weniger darüber, dass das alles ja gar nicht lippensynchron ist ...)
"Megastar" Chiranjeevi entspricht zwar genau dem Männlichkeitsideal der südindischen Filme (und nein, damit meine ich nicht, dass er aussieht wie Siddu ...) und ist deshalb vielleicht als Held erstmal etwas gewöhnungsbedürftig, vor allem in seinem 80er Jahre Trashoutfit mit lila Blouson, rotem Stirnband und seltsamer Unterleibsmode, aber er ist ungemein sympatisch und es macht wirklich Spaß ihm zuzuschauen. Der Film beginnt sehr unterhaltsam, wird dann aber irgendwann ein bisschen lahm, da gegen Ende nur noch endlos gekloppt wird. Die Story schwankt zwischen geklaut und hanebüchen, die Effekte zwischen wirklich gut und ganz ganz mies. Zur Mode muss ich ja nicht mehr viel sagen - und der Film wurde zumindest teilweise irgendwo in Süddeutschland/Österreich gedreht, auch wenn es sich wohl irgendwie doch um Amerika handeln sollte, wenn ich das richtig kapiert habe ...
Fazit: Für Trashfans definitiv sehenswert, der Rest solle sich vielleicht einen anderen Einstieg in den südindischen Kommerz suchen ...

Am Freitag standen wir vor dem Dilemma - zwei wirklich interessante Dokus oder Raj Kapoors "Bobby". Sunny und ich entschieden uns für Bobby, der allerdings enttäuschenderweise mal wieder von DVD lief - und das auch noch im falschen Bildformat, sodass die arme Dimple aussah als wär sie mindestens doppelt so breit. Wie toll Bobby ist, steht ja schon woanders. :)
Fazit: Unbedingt anschauen!

Freitag abend dann wieder etwas von Beyond: "Manasarovar" mit Atul Kulkarni und Neha Dubey. Die erste Viertelstunde ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig (vor allem, da die Beschreibung im Programm des Festivals so gar nicht dazu passt), aber mit dem Auftritt von Atul Kulkarni wendet sich das Blatt und der hauptsächlich auf Englisch gedrehte Film wird zu einem der schönsten Liebesfilme, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Das ist zu einem sehr großen Teil Atul Kulkarnis Verdienst, der einen wunderbaren Charakter erschaffen hat und mir mit jedem Film besser gefällt. Neha Dubey ist auch wirklich überzeugend - so überzeugend, dass ich am liebsten die Kinoleinwand angeschrieen hätte, wenn ihre Figur mal wieder eine saudumme Entscheidung getroffen hat.
Der einzige Kritikpunkt ist, dass die Musik von David Prahl, Lisa Stanislawski und Craig Leininger manchmal etwas arg aufdringlich im Vordergrund war. Allerdings könnte das auch daran gelegen haben, dass mit dem Ton im Kino sowieso etwas nicht stimmte.
Fazit: Ich brauch die DVD!!!! Sofort!

Der Samstag war dann für zwei Filme reserviert, die ich zwar schon kannte, die aber sein mussten. Zu Rang de Basanti muss man eigentlich ja nichts mehr sagen - der Film reißt mich auch nach dem xten Mal sehen noch mit und bietet genügend Stoff zum Nachdenken. Und die Jungs sehen auf einer richtig großen Leinwand noch viel viel toller aus als eh schon!
Fazit: Wer ihn noch nicht gesehen hat, MUSS das sofort nachholen!

Zwischendurch war noch Zeit für einen Teil der Kurzfilme, die unter dem Titel "NoMasala" liefen. Hier durfte ich das einzige Mal eine wirklich kompetente Einführung erleben, wodurch sich der Besuch schon gelohnt hat. Die Filme selber waren zum Teil wirklich gut, zum Teil ein bisschen seltsam - aber allesamt sehenswert.

Abends dann zum Abschluss einer der wenigen Filme, die richtig in die Bollywoodklischees passen und gerade deswegen auch beste Unterhaltung bieten: der Superduperblockbustersupermegaheldenfilm Krrish! Zu Krrish will ich ja schon lange was schreiben, aber bisher fehlte mir so ein bisschen die Zeit. Hier auch nur ganz kurz (irgendwann gibts dann eine richtige Mission BAS-Review): Krrish gefiel mir beim zweiten Mal sogar noch einen Tick besser als vorher, da die Roshans es schaffen, die typischen Superheldenelemente mit typischen Bollywoodelementen fröhlich so zu verquirlen, dass trotz aller Inspirationen etwas ganz Eigenes entsteht, und das Publikum drei Stunden lang blendend zu unterhalten. Die Stimmung im Kino war daher auch die beste des ganzen Festivals. Die Songs, die für sich alleine nicht besonders aufregend sind, werden wirklich schick inszeniert (kein Wunder, Hrithiks Tanzkünste müssen ja auch entsprechend in Szene gesetzt werden, alles andere wäre ja ein Sakrileg). Die Story ist im besten Sinne typisch (böser, irrer Wissenschaftler mit Trademark-Spruch will Weltherrschaft, Superheld muss ihn erledigen und dabei seine Identität vor der etwas dusseligen Superheldenfreundin verstecken), die Figuren zwar überzeichnet aber zum größten Teil herrlich anzusehen. Leider wirken die Effekte auf einer richtig großen Leinwand überhaupt nicht mehr gut, da man sie einfach zu genau sieht. Das ist auch die große Schwachstelle - Krrish springt zu weit, zu hoch, zu unrealistisch und die Effekte sind manchmal sehr plump eingesetzt. Einige Szenen sind aber wirklich schick gemacht, den Rest kann man vielleicht mit der mangelnden Erfahrung auf diesem Gebiet entschuldigen.
Und Hrithik sieht eigentlich verdammt gut aus, auch wenn er in manchen Einstellungen ein bisschen schlecht wegkommt. Jedenfalls gefällt er mir hier um Längen besser als in seinen früheren Filmen - und er hat so tolle Augen ... *schmelz*

Fazit: Der Film wird ja alleine schon durch seinen riesigen Erfolg am Boxoffice zum Must-See-Film, aber für alle, die mal ein paar Stunden den Verstand abschalten wollen und einfach nur richtig gute Unterhaltung suchen, ist er perfekt. Just imagine! Gell, Michael?

Wegen akuten Schlafmangels war dann auch das Kinoprogramm für mich beendet - am Sonntag hat die Energie gerade noch zum Rumgammeln gereicht.

Bilder vom Festival gibts übrigens bei Flickr!

Kleiner Nachtrag: Auf der Manasarovar-Seite kann man die DVD übrigens direkt bestellen und per Paypal bezahlen! Jahu!

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